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Freitag, 13.12.2024 12:34

I020

1861 | Konzertflügel Johann Baptist Streicher & Sohn (Wien) #5886

Kurzcharakteristik: Instrument Nr. 5886 (ergibt Baujahr 1861); die Familien Stein und Streicher gehörten für mehr als drei Generationen zu den wichtigsten Klavierbauern der Musikhauptstadt Wien. Goethe, Clara Schumann und Johannes Brahms spielten auf Streicher-Flügeln. Wiener Mechanik. Das in seiner Substanz gut erhaltene Instrument wurde von den Werkstätten für historische Tasteninstrumente J. C. Neupert in Bamberg im Sommer 2003 restauriert. Das nebenstehende Foto zeigt das Instrument im "Bergezustand".

Technische Angaben

  • Länge: 233 cm
  • Breite 1xx cm
  • Korpushöhe xx cm
  • Höhe gesamt xx cm
  • Umfang: A2-a4 (7 Oktaven)
  • zwei Pedale (Dämpfungsaufhebung, Verschiebung).
  • geradsaitiger Bezug
  • Wiener Mechanik (Prellzungenmechanik) mit belederten Hammerköpfen, Kastendämpfung
  • Mechanikanhebung/-absenkung geschieht durch eigentümliche Konstruktion: Durch die Korpusunterseite sind Holzstempel eingeführt, die die Mechanik nach dem Einschieben in Spielposition heben.

Langtext: Bei diesem Instrument handelt es sich um einen originalen Hammerflügel der berühmten Wiener Klavierfabrik Johann Baptist Streicher und Sohn mit der Produktionsnummer 5886 aus dem Jahre 1861. Dieser Flügel weist mit 233 cm eine seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für den Konzertgebrauch übliche Länge auf.

Die Tradition der Klavierbauerfamilie Streicher beginnt mit dem in Augsburg tätigen Johann Andreas Stein (1728-1792), dessen Tochter Nannette (1769-1833) den Pianisten und Klavierbauer Johann Andreas Streicher, einen Jugendfreund Friedrich Schillers, heiratete. Nach Steins Tod verlegte das Ehepaar Streicher 1794 die Werkstatt nach Wien. Instrumente von Stein und Streicher wurden u. a. von Mozart und Beethoven hoch geschätzt. Mehr als ein Jahrhundert, nämlich bis zur Schließung im Jahre 1896, war die Klavierbauerdynastie an vorderster Front bei der Weiterentwicklung von Hammerflügeln tätig. Johann Wolfgang von Goethe, Clara Schumann und Johannes Brahms besaßen Streichersche Flügel.

Der Flügel weist einige zeittypische, bei späteren, modernen Konzertflügeln nicht mehr zu findende bauliche Besonderheiten auf, von denen die wichtigsten nachfolgend benannt sind:

  • Die Saitenspannung wird noch nicht durch einen gusseisernen Rahmen, sondern ausschließlich von zwei die Holzrastenkonstruktion unterstützenden Eisenstreben kompensiert.
  • Das Instrument besitzt eine "Wiener Mechanik" (Prellzungenmechanik), wie sie vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen ihres hellen, singenden Tons und ihrer leichten und damit feine Nuancierungen zulassenden Spielart sehr beliebt war. Die Prellzungenmechanik unterlag schließlich der heute ausschließlich gebauten, zu Streichers Zeiten besonders von der renommierten englischen Firma Broadwood and Sons und der noch sehr jungen, aber rasch sehr erfolgreichen Firma Steinway verbreiteten "englischen" Stoßzungenmechanik; letztere ermöglichte größere Hammerkopfgewichte (bei freilich deutlich schwererer Spielart) und damit den Bau lauter klingender Instrumente für die ständig an Größe wachsenden Säle des bürgerlichen Konzertbetriebs.
  • Im Gegensatz zu den heutigen, aus gepresstem Filz bestehenden Hammerköpfen sind die Hammerköpfe des Streicherschen Flügels beledert. Das Ergebnis ist ein obertonreicherer, silbriger Klang, der eine besonders klare Zeichnung der musikalischen Linien zur Folge hat.

Provenienz: Erwerb 2002 im Rahmen eines Konvolutes aus der Sammlung von Prof. Dr. Rulffs, Heppenheim

Literatur:

  • Art. Streicher, Johann Andreas, in: Schilling (Hg.), Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Sechster Band. Stuttgart: Franz Heinrich Köhler 1838, S. 520-522
  • Oscar Paul, Geschichte des Claviers, Leipzig 1868, S. 138-142
  • Alfred Dolge, Pianos and their makers, 1911, Reprint New York 1972, S. 219
  • Blüthner/Gretschel, Der Pianofortebau, 4. Aufl. Leipzig 1921, S. 24f.
  • Pierce Piano Atlas, 8. Aufl. Termino/CA 1982, S. 292
  • Günther Batel, Handbuch der Tasteninstrumente und ihrer Musik, München 1991, S. 126
  • Jan Großbach, Atlas der Pianonummern, 9. Aufl. Frankfurt/Main 1999, S. 290
  • Martha Novak Clinkscale: Makers of the Piano, 1820-1860. Oxford: Oxford University Press 1999, S. 365-370
  • Uta Goebl-Streicher, Jutta Streicher und Michael Ladenburger: „Diesem Menschen hätte ich mein ganzes Leben widmen mögen.“ Beethoven und die Wiener Klavierbauer Nannette und Andreas Streicher. Eine Ausstellung im Beethoven-Haus Bonn. Bonn: Verlag Beethoven-Haus 1999. [= Veröffentlichungen des Beethoven-Hauses – Ausstellungskataloge Bd. 6.]

Tonträger:

DCD020: Franz Wüllner, Kammermusik (Bredohl, Kabanova, Titova u.a.), Verlag Dohr, Dezember 2003.
DCD043: Johannes Brahms, Klavierwerke Vol. 1: Sonaten C-Dur op. 1 und fis-Moll op. 2, Scherzo es-Moll op. 4 (Philipp Kronbichler), Verlag Dohr, 2016.
DCD046: Johannes Brahms, Klavierwerke Vol. 2: Sonate f-Moll op. 5, Vier Balladen op. 10 (Philipp Kronbichler), Verlag Dohr, 2017.
DCD047: Johannes Brahms, Klavierwerke Vol. 3: Variationen über ein Thema von Robert Schumann op. 9, Variationen über ein ungarisches Lied op. 21/2, Variationen über ein eigenes Thema op. 21/1, Variationen und Fuge über ein Thema von Georg Friedrich Händel op. 24 (Philipp Kronbichler), Verlag Dohr, 2017.