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Freitag, 13.12.2024 12:34

I044

1830 (ca.) | Hammerflügel Anton Biber Nürnberg o.Nr.

Hammerflügel Anton Biber 1830 - Gesamtsicht Hammerflügel Anton Biber 1830 - Klaviaturraum
Hammerflügel Anton Biber 1830 - akustische Anlage Hammerflügel Anton Biber 1830 - geschlossen

 

Kurzcharakteristik: prachtvolles, reich dekoriertes Instrument, gebaut auf dem Höhepunkt der "Effektenregister" / Veränderungen; ganz überwiegend original erhalten. Der Flügel befindet sich in konzertmäßig spielbarem Zustand (Restauration J. C. Neupert Bamberg 1998, im Besitz des Voreigentümer von August 1998 bis zu dessen Tod 2008).

Anton Dominikus Biber (1797-1863) stammt aus Ellingen. Er ist Sohn von Andreas Biber (1755-1830), der nach seinen Wanderjahren - zuletzt arbeitete er drei Jahre in der berühmten Klavierfabrik von Broadwood in London - hierher zurückgekehrt war, und älterer Bruder von Aloys Biber (1804-1858), der in München ebenfalls als Klavierbauer arbeitete. In der Werkstatt des Vaters hatte Anton "die Schreinerprofession und vorzüglich die Verfertigung musikalischer Instrumente" erlernt. Später arbeitete er drei Jahre in Wien und eineinhalb Jahre in München. Schließlich ließ er sich 1823 in Fürth nieder. Ein Jahr später bemühte sich Anton Biber um die Genehmigung, sich als Instrumentenbauer in Nürnberg niederzulassen. Die befragten Nürnberger Instrumentenbauer erhoben "in Anbetracht der Nähe beider Städte" keinen Einwand, un so wurde Biber am 28. Juni 1824 als Bürger in Nürnberg aufgenommen.

Binnen weniger Jahre gelang es Biber, die führende Rolle unter den Nürnberger Instrumentenbauern einzunehmen. Seine Klaviere waren auf Ausstellungen beachtet und seine Leistung als Instrumentenbauer wurde anerkannt. So nimmt es nicht wunder, dass Bibers Werkstätte zeitweise einem handwerklichen Großbetrieb glich (nach Wohnhaas, siehe Literatur).

  • Signatur in rautenförmigem Feld auf Milchglas über Klaviatur (auf Kämpfer)
  • Länge: 240 cm; Breite: 124 cm
  • Korpus in lebhaftem deutschen Nussbaum furniert, poliert; Innenwände Ahorn furniert; lange Wand und Diskantwand vorne mit einziehenden Rundungen; Messingzierwerk auf Schlossleiste, Namensleiste, Innenwänden links und rechts über der Klaviatur (spiegelbildlich gegossene Fabelwesen), Dämpferkasten, auf Vorderrundungen lange Wand und Diskantwand. Wandhöhe 352 mm, -stärke 19 mm. Unterboden Fichte, Jahre laufen parallel zur langen Wand.
  • Deckel aufgeteilt in Hinter- und Vorderdeckel (58 cm breit) mit angeschlagener Klappe, Deckelstärke 17 mm, Deckelstütze am Innendeckel befestigt, Innendeckel Ahorn furniert.
  • Fußgestell 3 Säulenfüße (Nussbaum, nach oben leicht konisch verjüngt), mit vergoldeten Zierringen; unter Füßen jeweils quadratischer Klotz; Verbindungsbrett zwischen Vorderfüßen zur Befestigung von sechs Pedalen, diese auf Zug (mittels Verbindungsdraht) wirkend; auf Verbindungsbrett vergoldeter sitzender Apoll mit Lyra.
  • Resonanzboden Fichte, Jahre laufen parallel zur langen Wand, liegt nirgends auf Damm auf; starke Berippung. Rippen unter Steg ausgeschnitten; an langer Wand Zierleiste aufgeleimt, Breite 20 mm, mit rechteckigem Querschnitt. Zierleiste am hinteren Ende auf 270 mm Länge freigeschnitten ("getunnelt") für freiere Schwingung des Resonanzbodens.
  • Klaviatur: Umfang F1 bis f4 (sechs Oktaven, 73 Tasten); Stichmaß 475 mm; Untertasten Bein, Vordertastenlänge 42,5 mm; Stirnplättchen Bein; Obertasten schwarz lackiert (Holzart nicht bestimmbar), Länge 104 mm. Vorderstiftenführung mit Ledergarnierung; Waagbalken ungarniert mit Bäckchen. Klaviaturbacken schwarz, Breite Bass 32 mm, Diskant 40 mm; schwarze Zierleiste über Klaviatur am hinteren Ende des Tastenbelages.
  • Klaviaturrahmen aus Nadelholz mit Buchenaufdoppelung, Breite 70 mm; vordere Rahmenleiste auf Höhe 68 verstärkt (Schlittenfunktion): Rahmen läuft am hinteren Ende des Klaviaturrahmens auf dreieckige Klötzchen auf.
  • Mechanik: Wiener Mechanik (Prellzungenmechanik) mit Metallkapseln; Fängerleiste fehlt [ursprünglich vorhanden]; Auslöser mit Schraubregulierung; Hammerstiellänge Bass 100mm, Diskant 88 mm; Hammerkopf Länge/Dicke 48mmx11mm (Bass), 51mmx1mm (Diskant); mit belederten Hammerköpfen, Hammerkopfbeschichtung Bass: vier Unterleder, ein Oberleder; Diskant: zwei Unterleder, ein Oberleder.
  • Dämpfung: Stiefeldämpfung ("Wiener Kastendämpfung"). Dämpferabhebung: Draht mit belederter Puppe; Stiefel am unteren Ende mit Lederschlaufen geführt. Filzkeile von F1 bis e1, dann Filzpüschel (Dämpferfilze nicht original)
  • 6 Pedale (von links: Verschiebung [aufgrund der durchgängigen Dreichörigkeit "echtes" una corda möglich], Fagott [seidengarnierte Leiste senkt sich auf den Bassbezug; Wirkung von F1 bis e1], Forte [Dämpfungsaufhebung], Doppelmoderator, Moderator [Die beiden Moderator-Pedale bewegen dieselbe Hebelkonstruktion verschieden tief: Filzstreifen werden zwischen Hammerköpfe und Bezug geschoben.], Janitscharenzug [Trommel in Gestalt eines Hammers, der von unten gegen den Resonanzboden schlägt, Dreifach-Glöckchen an der Basswand, "Becken" in Gestalt einer Metallplatte, die im Bassbereich auf die Saiten geschlagen wird])
  • Bezug durchgängig dreichörig 14x Messing blank, 59x Eisen blank; Blindchor (ebenfalls dreichörig) zwischen e1 und e2 [mit eigenem, sich mit dem Fortepedal und der Kastendämpfung aufhebenden Dämpfer - damit ist auch der Blindchor zu stimmen!].

Provenienz: Erwerb 2009 aus der Erbmasse von Dr. Werner [Maurice] Grunwald, Ludwigsburg

Literatur:

  • Theodor Wohnhaas: Nürnberger Klavierbauer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Vol. 54 (1966), S. 150f.
  • Pierce Piano Atlas, 8. Aufl. Termino/CA 1982: deest
  • Hubert Henkel: Münchens Hammerklavierbau im 18. und frühen 19. Jahrhundert. In: Deutsches Museum: Wissenschaftliches Jahrbuch 1992/93, München 1993, S. 75-106
  • Hubert Henkel, Besaitete Tasteninstrumente (Kat. Slg.d. Deutschen Museums München), Frankfurt 1994, S. 195-197 [Vita; Giraffen-Flügel von Anton Biber]
  • Gutachten J. C. Neupert, masch., ca. 1998 [dort entnommen die oben wiedergegebene Instrumenten-Beschreibung]
  • Martha Novak Clinkscale: Makers of the Piano, 1820-1860. Oxford: Oxford University Press 1999, S. 32
  • Hubert Henkel, Art. "Biber, Anton", in: ders., Lexikon deutscher Klavierbauer, 1. Aufl. Frankfurt/Main 2000, S. 57f.
  • Jan Großbach, Atlas der Pianonummern, 10. Aufl. Frankfurt/Main 2005, S. 56.

Zur Datierung: Das Instrument ist undatiert und weist außer dem Namen "Biber" auf dem Schild im Vorsatzbrett keinerlei Worte und Zahlen etc. auf. Das Herstellungsjahr des Instrumentes wurde von Wolf Dieter Neupert anhand der bei Clinkscale (siehe Literatur) gelisteten Instrumente geschätzt. Demnach wird derzeit kein Bibersches Instrument vor 1830 datiert. Bibers Tätigkeit als Instrumentenbauer beginnt jedoch spätestens 1824. Zudem weist dieses Instrument lediglich einen Manualumfang von sechs Oktaven auf, das Klangbild der kleinen, schmalen belederten Hämmerchen ist recht "archaisch". Untersuchungen zum Intervall, innerhalb dessen Janischaren-Züge in Tasteninstrumente gebaut wurden, stehen zudem noch aus.