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Freitag, 13.12.2024 12:34

I165

1963 | italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici (1672). Kopie von Martin Skowroneck o.Nr., Bremen

italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck

Beschreibung: Ein polygonales Virginal ("Cembalo da Chiesa") nach einem Original von Giovanni da Pertici (1672), Kopie von Martin Skowroneck (von ihm "italienisches Spinett" genannt), signiert "Martin Skowroneck fecit Bremen A. D. 1963" auf dem Resonanzboden hinter dem Vorsatzbrett; zweite Signatur "Martin Skowroneck A. D. 1963" kopfüber auf der Außenseite des ersten Tastenhebels im Bass; gefertigt für und ausgeliefert an die Bremer Apothekerin Gertrud Klingmüller.
Das Instrument wurde 2019/2020 von Joe Rácz-Mizushima nach Erwerb bei einem online-Portal aus dem Nachlass der Erstbesitzerin) umgearbeitet. Joe Rácz-Mizushima bewarb das Instrument im Stile eines Antiquars: "Einzigartige Antiquität, originales Instrument des berühmten Cembalobauers. Bezaubernder Klang, sehr gute Spielbarkeit."

Das nun in die Sammlung Dohr gelangende Instrument ist lt. eines handschriftlich überlieferten Besaitungsplan im Nachlass des Erbauers (1963 / it. Virginal Nr. 1 Klingmüller / neu besaitet Dez. 73) und nach Auskunft seines Sohnes, Tilman Skowroneck, das erste Exemplar einer kleinen von Martin Skowroneck gebauten Serie von insgesamt acht Exemplaren dieses Typs, u.a. für Fritz Neumeyer (1900-1983; erhalten in der Sammlung Neumeyer in Bad Krozingen) und Alain Curtis (1934-2015), der es bei zahlreichen Tonträger-Produktionen einsetzte. Zwei Exemplare verblieben im Besitz der Familie Skowroneck. Das Exemplar der Sammlung Dohr wurde im Auftrag der Bremer Apothekerin Klingmüller gefertigt und von Joachim Racz aus deren Nachlass erworben.

Tonumfang 4 Oktaven = C – c³ = 49 Tasten.
1 x 8´; keine Veränderung/en.
Klaviatur ohne Ausbleiungen und mit Hintertastenhebelführungen.
Untertastenbelag Olivenholz, Obertasten aus ___.


zum Erbauer: Auf Martin Skowroneck geht vielleicht der Nimbus des Einzelbauers zurück. Skowronek beschreibt seinen Werdegang und die Gründung seines Ein-Mann-Betriebs sehr anschaulich im autobiographischen Teil seines Buchs. Demnach hatte er eigentlich einen Gewerbeschein als Blockflöten-Bauer beantragt, bekam diesen allerdings als "Instrumentenbauer" ausgestellt - und nutzte die Chance zur Erweiterung seiner Tätigkeit.

Martin Skowroneck hatte keinen Mitarbeiter in der Werkstatt, war Self-Made-Man, führte keinen Meistertitel und konnte daher auch nicht ausbilden. Er baute daher jedes Instrument vollständig alleine. Er baute 89 Cembali, drei Hammerflügel und eine kleine Anzahl an Spinetten, Virginalen und Clavichorden.

Der Ruhm Skowronecks beruhte darauf, dass er bekannten Künstlern das richtige Instrument zur richtigen Zeit baute, nämlich in der Phase des Übergangs von "Serieninstrumenten" (J. C. Neupert, Maendler-Schramm u.a.) in moderner Bauweise zu Instrumenten, die historische Vorbilder kopieren. Gustav Leonhardt (1928-2012) - zunächst ebenso wie etwa Fritz Neumeyer auf Instrumenten von J. C. Neupert konzertierend und aufnehmend - konzertierte auf einem legendär gewordenen Konzertcembalo von "Sko" und besaß mehrere weitere Instrumente, darunter zwei verschiedene flämische Virginal-Modelle, aus der Werkstatt von Martin Skowroneck.

Zustand: Das original erhaltene Instrument wurde von Jochen Rácz-Mizushima (alias Jochen Rácz-Fluhrer alias Joe Rácz alias Tevja Harpsichord) ohne Rücksicht auf den Wert des Instrumentes umgearbeitet und "pseudo-historisiert": neue Saiten (mit falsch gefertigten Ösen), neue Dämpfer, neue historisierende Wirbel. Das Instrument war nach kurzer Zeit nicht mehr spielbar (keine Stimmhaltung, keine Dämpfung, Springer tauchten nicht unter die Saiten, hakende Tasten ...). Im Oktober 2021 erfolgte die Auftragserteilung an Jan Großbach, die durch Jochen Rácz-Mizushima erzeugten Veränderungen rückgängig zu machen und wieder die Spielbarkeit des Instrumentes herzustellen.

italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck
italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck
italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck
italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck
italienisches polygonales Virginal nach Giovanni da Pertici, Kopie von Martin Skowroneck

 

Literatur: Primärliteratur. Martin Skowroneck: Probleme des Cembalobaus aus historischer Sicht, in: Hifi Stereophonie [sic], Karlsruhe 1968, S. 700ff., 781ff., 875ff.; Ders., Zu welchem Zweck und Ziel, mit welcher Absicht werden historische Musikinstrumente restauriert? in: Colloquium. Restauratieproblemen van Antwerpse klavecimbels. Museum Vleeshius, 10 tot 12 mei 1970. Antwerpen 1971, S. 28-35; Ders., Cembalobau (Harpsichord Construction). Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Werkstattpraxis (A craftsman's workshop experience and insight). Frankfurt am Main: Edition Bochinsky 2003 (Fachbuchreihe Das Musikinstrument, Bd. 83).

Sekundärliteratur: Wolfgang Zuckermann: The Modern Harpsichord. Twentieth-Century Instruments and Their Makers. New York: October House Inc., 1969, S. 183-186. Martin Elste, Nostalgische Musikmaschinen, in: Kielinstrumente, hrsg. vom Staatlichen Institut für Musikforschung Preuß. Kulturbesitz, Berlin 1991, S. 271ff.; Arnold Werner-Jensen, Art. "Skowroneck, Martin", in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe, Personenteil, Bd. 15 (Kassel 2006), Sp. 882f. [Bibliographie unzuverlässig].