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Freitag, 13.12.2024 12:34

I184

1927 | Oktavspinett Arnold Dolmetsch o. Nr. (Haslemere/Surrey)

Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927

Beschreibung: Oktavspinett (Spinettino), gebaut 1927 von [Eugène] Arnold Dolmetsch (geb. 24. Februar 1858, Le Mans, Frankreich; gest. 28. Februar 1940, Surrey, Vereinigtes Königreich) in Haslemere/Surrey. Die Dolmetsch bezeichnet dieses Instrument (Katalog 1954; siehe unten) selbst als "Portable Virginal or Octavina". Die von Arnold Dolmetsch selbst gefertigten Instrumente sind deutlich reicher ausgestattet als die spätere Serienfertigung nach seinem Tod 1940. Im Katalog 1954 wird das Instrument bezeichnet als "Portable Virginal Model a without Harp Stop". Dieses Modell war im Katalog 1954 das kleinste und mit GBP 85,00 auch günstigste Tasteninstrument von Dolmetsch.

Tischinstrument; Erwerb mit originaler Transportkiste, diese wiederum mit mehreren Aufklebern, die Rückschlüsse auf die erste Eigentümerin ermöglichen.

historisierende Bauweise; es ist (noch) unbekannt, ob Dolmetsch ein historisches Original-Instrument kopierte oder sich in seiner Konstruktion an ein solches anlehnte. Donington (1932, p. 9-11) schildert, dass es auch Dolmetsch um die "Verbesserung" der Cembalo-Mechanik und -Konstruktion ging.

Breite 768 mm, Tiefe 493 mm, Höhe 136 mm; Korpus aus englischem Nussbaum; zahlreiche Hohlkehlen vergoldet. Tastenhebel mit aufgeschraubten Bleigewichten am hinteren Hebelende; ausgebleite Holzspringer mit Fähnchendämpfung, Holzzunge, Fußpilote.

4 Oktaven Ambitus c'-c'''' (ein Register 4') = 49 Töne (keine "kurze Oktave" im Bass), Kammerton 415 Hz; vom Vorbesitzer von Leder- auf Delrin-Bekielung umgestellt.

keine Seriennummer; signiert "Arnold Dolmetsch 1927" rechts hinten auf dem Stimmstock, signiert "M.[abel] D.[olmetsch] 1927" rechts auf dem Springerrechen, unterhalb der Dockenleiste; signiert "ARNOLD • DOLMETSCH • ANNO • M • CM • XXVII" auf Vorstecker. Inschrift in Girlande "MUSICA DONATUM DEI" rechts vorne auf dem Stimmstock. Inschrift "Dum vixi tacui / mortua dulce cano" links neben dem Springerrechen, unterhalb der Dockenleiste (siehe hierzu das Essay weiter unten auf dieser Seite!).

Aufstellbares Notenpult auf der Innenseite des Klaviaturdeckels.

Die bei diesem Instrument besonders reich ausgefallene Bemalung cf. Dekoration von seiner dritten Ehefrau Mabel Johnston, die jeweils - so ist überliefert - in den Garten ging und sich die gerade blühenden Blumen als Vorlage für die Resonanzbodenbemalung auswählte, wurde vielleicht für eine Ausstellung oder Messe ausgeführt. Darauf deuten die Aufkleber auf der originalen Transportkiste hin (siehe Foto).

Es ist derzeit nicht bekannt, wie viele Instrumente (insbesondere historische Tasteninstrumente) Arnold Dolmetsch unter seinem Namen gebaut hat. Seriennummern tragen lediglich die schließlich in sehr großer Zahl gebauten Blockflöten.

Eugène Arnold Dolmetsch war ein französischer, ab 1917 in England wirkender Musiker (Studium Violine bei Vieuxtemps) und Instrumentenbauer (Klavierbauer; zunächst bei Chickering als Leiter der Abteilung historische Tasteninstrumente angestellt). Dolmetsch war einer der Pioniere beim Nachbau historischer Musikinstrumente (in erster Linie Blockflöten, aber auch historische Tasteninstrumente) im 20. Jahrhundert. Dolmetsch ist einer der bis heute besonders klangvollen Namen in der Branche. Er gilt als einer der frühesten Pioniere für historische Aufführungspraxis und wird in diesem Zusammenhang mit der Wiederentdeckung der Blockflöte im 20. Jahrhundert in Verbindung gebracht.

Provenienz

Erworben am 27. März 2020 aus der Sammlung von Christian Hauck; von diesem am 18. November 2018 bei Jean-Marc Conté in Videlles/Île de France (Frankreich) erworben. Erste Eigentümerin kann Lucy Ellis gewesen sein. Brian Blood (The Dolmetsch Foundatein) schreibt hierzu am 23. April 2021 an das Pianomuseum: "The Miss Ellis on the case label could be Lucy Ellis. Marco Pallis mentions her in his appreciation of Mabel Dolmetsch in the attached 1973 issue of Chelys, the Journal of the Viola da Gamba Society. Lucy Ellis lived in France and was a friend of the Dolmetsches who would stay with her on some of their visits to France."

Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927 Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927
Oktavspinett Arnold Dolmetsch 1927

 

"Dum vixi tacui mortua dulce cano"

Inschriften in Instrumenten sind immer etwas Besonderes - eine erfreuliche Attraktion. Noch "spannender" wird es immer dann, wenn derartige Inschriften zunächst unsichtbar bleiben, weil sie versteckt angebracht sind.
Diese Inschrift von Arnold Dolmetsch in seinem 1927 gebauten Ottavino-Spinett wird erst dann sichtbar, wenn man die Dockenleiste ausbaut. Ein flüchtiger Betrachter macht das in der Regel nicht, wohl aber der intensiv mit dem Instrument beschäftigte Musiker.

Brian Blood, Schwiegerenkel von Arnold Dolmetsch und Sekretär der Dolmetsch-Stiftung, hat mir geholfen, das im März in die Sammlung Dohr gekommene Ottavino-Spinett von Arnold Dometsch besser zu verstehen. Er hat gegoogelt und findet einen Aufsatz von Edward Kerr Borthwick (1925-2008; siehe Literatur).

In diesem Aufsatz wird direkt auf seiner ersten Seite eine Verbindung zwischen diesem lateinischen Pentameter "Dum vixi tacui mortua dulce cano" (Borthwick: "While I lived, I was silent, now that I am dead I sing sweetly." Dohr: "Als ich lebte, habe ich geschwiegen; als Tote singe ich süß.") und der Familie Dolmetsch hergestellt. Findet sich doch der Spruch auf dem Namensschild eines italienischen Ottavino-Spinetts, das (offensichtlich) von Petrus Michael Orlandus im Jahre 1710 gefertigt wurde und das sich heute als Nr. 11 im Katalog der Russell Collection findet.

Borthwick erwähnt in Fußnote 3 seines Artikels, dass "a member of the Dolmetsch Family" dieses Instrument restauriert hat - und stellt als weiteres, "heutigen" (d.i. 1970) Museums-Gepflogenheiten widersprechendes (Restaurierung versus Konservierung) Paradoxon fest, dass die Russell Collection eben lauter restaurierte und damit nach ihrem "Tod" wieder spielbar gemachte Instrumente enthalte.
Es lohnt sich, 50 Jahre nach dem Aufsatz von E. K. Borthwick erneut über den Sinngehalt dieses Spruches nachzudenken.

Brian Blood erklärt: "The motto quoted above is mention here too. The anonymous motto, part of the longer riddle Viva fui in sylvis sum dura occisa securi | Dum vixi tacui mortua dulce cano ("Once I was alive in the woods till felled by a cruel axe; living, I was mute, dead, I sweetly sing"), has been associated with musical instruments since the Renaissance; see E. K. Borthwick, 'The Riddle of the Tortoise and the Lyre', Music & Letters, li/4 (Oct. 1970), pp. 373-387."


Inscriptions on instruments are always special - a pleasing attraction. It becomes ever more "exciting" when such inscriptions are initially invisible because they are hidden.

The inscription appearing on Arnold Dolmetsch's Ottavino spinet, built in 1927, becomes visible only when one removes the jack rail. A fleeting observer usually doesn't do this, but a musician involved in its maintenance certainly will.
Brian Blood, grandson-in-law of Arnold Dolmetsch, and secretary of The Dolmetsch Foundation, has helped me better understand the Ottavino spinet which was acquired in March 2021. He googled and found an essay by Edward Kerr Borthwick (1925-2008; see "Literatur").

The article connects the Latin pentameter "Dum vixi tacui mortua dulce cano" painted on the Dolmetsch Ottavino to an Italian Ottavino of 1710 ascribed to Peter Michael Orlandus (Russell Collection Catalogue no. 11) bears the identical motto. Borthwick translates the verse: "While I lived, I was silent, now that I am dead, I sing sweetly". Dohr translates the verse into German: "Als ich lebte, habe ich geschwiegen; als Tote singe ich süß."

Borthwick mentions in footnote 3 of his article that "a member of the Dolmetsch family" had restored the Russell Collection Ottavino and one can remark that despite current attitudes within museums about restoration versus preservation, that act, like work on many other instruments in the Russell Collection, has made the instrument playable after its second "death", while Dolmetsch's interpretation made in 1927 has given it a second life.
[Many thanks to Brian for the perfect translation and help!]

Brian Blood resumes: "The motto quoted above is mention here too. The anonymous motto, part of the longer riddle Viva fui in sylvis sum dura occisa securi | Dum vixi tacui mortua dulce cano ("Once I was alive in the woods till felled by a cruel axe; living, I was mute, dead, I sweetly sing"), has been associated with musical instruments since the Renaissance; see E. K. Borthwick, 'The Riddle of the Tortoise and the Lyre', Music & Letters, li/4 (Oct. 1970), pp. 373-387."

 

Literatur

  • Arnold Dolmetsch: The Interpretation of the Music of the XVIIth and XVIIth Centuries, revealed by Contemporary Evidence. x, 494 p.; ill., music. London: Novello & Co. Ltd. 1915.
  • Robert Donington: The Work and Ideas of Arnold Dolmetsch. The Renaissance of Early Music. The Dolmetsch Foundation, Haslemere/Surrey, England o. J. (1932). 24 S.
  • The Dolmetsch Workshops by C. Leslie C. Ward, Arnold Dolmetsch Limited, Haslemere/Surrey, England o. J. (1954) [zitiert als "Katalog 1954"].
  • Mabel Dolmetsch: Personal Recollections of Arnold Dolmetsch. viii, 198 p.; ill., music. London: Routledge and Kegan Paul, 1957.
  • Edward Kerr Borthwick: The Riddle of the Tortoise and the Lyre. in: Music and Letters, Volume LI, Issue 4, October 1970, p. 373–387.
  • Margaret Campbell: Dolmetsch. The Man and His Work. xvi, 318 p.; ill., Seattle: University of Washington Press 1975 [Campbell vermengt spätestens im Register "Ottavina" mit "Clavichord", indem sie beim Eintrag "Ottavina" auf "Clavichord" verweist.].

  • Martin Elste: Nostalgische Musikmaschinen, in: Kielinstrumente, hrsg. vom Staatlichen Institut für Musikforschung Preuß. Kulturbesitz, Berlin 1991, S. 247 f.
  • Uta Henning: Arnold Dolmetsch and his Bach Clavichord: an Iconographical and Literary Approach. in: De Clavicordio VIII. Proceedings of the International Clavichord Symposium, Magnano, 5–8 September 2007. Edited by B. Brauchli, A. Galazzo, J. Wardman. 250 pages. Magnano 2008. p. 17-25.
  • Peter Bavington: Arnold Dolmetsch’s Clavichord Making in the Years Before 1914. in: De Clavicordio VIII. Proceedings of the International Clavichord Symposium, Magnano, 5–8 September 2007. Edited by B. Brauchli, A. Galazzo, J. Wardman. 250 pages. Magnano 2008. p. 27-43.